Zurich Jazz Orchestra & Thomas Gansch «Neat Little Songs»
Die Achse Wien-Zürich legte in Sachen Big Band in den siebziger Jahren kein Geringerer an als Mathias Rüegg. Sowohl das Zurich Jazz Orchestra (*1995) als auch Thomas Gansch (*1975) waren damals noch Sternenstaub oder gerade daran sich zu materialisieren. Soweit mal die Vorgeschichte. Auf eine Art Urknall-Phase begannen sich die musikalisch-atomaren Verbindungen in diesem Jahrtausend mehr und mehr in derselben Galaxie zu bewegen. Thomas Gansch gastierte mit dem Vienna Art Orchestra (und natürlich auch mit Bands wie Mnozil Brass und Gansch’n’Roses) immer wieder mal in und um Zürich. Und schliesslich brachte er seine famose Hommage an den Trompeterkollegen, höchst innovativen Komponisten und Orchesterleiter Don Ellis in den Zehner-Jahren auch mit dem Zurich Jazz Orchestra auf die Bühne des Jazzclubs Moods, und hinterliess regelmässig ein begeistertes und staunendes Publikum. War das immer ein Spass! Die Achse Wien-Zürich harmonierte. Und ziemlich bald war dann da auch der Wunsch nach neuem und anderem Repertoire.
Unter dem krass verharmlosenden Titel «Neat Little Songs» legt Gansch den Zürchern nun heftigen Stoff auf die Pulte. Blasmusik vom Feinsten mit dem hinterhältigen Charme eines Ausnahmekönners. Einmal scharf mit Alles. Und die Gewürze dazu kommen ausschliesslich aus dem Hause Gansch. Genre-Studien vom Alpenraum bis nach New Orleans und wieder zurück, bei denen er stets im letzten Moment falsch abbiegt und so der Plattitüde oder dem Klischee eine lange Nase dreht. Da trübt plötzlich die Harmonik ein, oder der Takt kriegt einen überraschenden Stolperer verpasst. Sachen, die ihn ja auch in all seinen anderen Projekten auszeichnen. Und natürlich hätte Thomas Gansch diese Produktion mit irgendeiner Big Band machen können. An Angeboten dazu dürfte es nicht gefehlt haben.
Dass er sie mit dem Zurich Jazz Orchestra gemacht hat, ist ein Beweis für die gute Beziehung, die man über lange Jahre gepflegt hat. Und dann es passt eben auch mit den Solisten, mit denen er sich bestens zu verstehen scheint. Nicht wenige Nummern lassen zwei Solisten (davon immer einer Gansch selbst) quasi miteinander tanzen. Exemplarisch schon im ersten Stück «Hot Feet». Die heissen Füsse tanzen mal im Gleichschritt und mal im friedlichen Wettstreit. Es ist ein grosser Spass, Reto Anneler am Altsaxophon und Thomas Gansch im Austausch von Ideen zu hören. Genauso wie später auch in «Ophelia» Nils Fischer am Baritonsaxophon und Thomas Gansch. Die Beispiele lassen sich fast beliebig fortsetzen. Und dann ist es auch nicht immer bloss die klassische Rollenverteilung von Orchester und Solist, wo die Band bloss die Backgrounds zu liefern hat. Sektionsweise lässt Gansch auch das Orchester als Klangapparat brillieren. Und spätestens da kommt auch der Orchesterleiter Ed Partyka ins Spiel, mit dem Gansch schon beim Vienna Art Orchestra zusammengespielt hat. Partyka ist hier für die Arrangements zuständig, und weiss als langjähriger Orchesterleiter sehr genau, wie die Band klingt, und wo ihre Stärken liegen. Thomas Gansch, Ed Partyka und das Zurich Jazz Orchestra treten als Team auf und überzeugen in der Jubiläumsproduktion des Orchesters. Auf weitere dreissig Jahre! Gerne auch weiter auf der Achse Wien-Zürich.
Peter Bürli, Jazzproduzent für Radio SRF 2 Kultur bis 2022, im März 2025